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Familiendigitalisierung Teil 2: Herausforderungen

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Da nun die Grundlagen gelegt sind, hier ein paar Warnungen und Empfehlungen zum Umgang mit digitalen Medien in der Kindererziehung.

Konsum

Eine Sache, die von Anfang an einfach nicht zur Verfügung stehen sollte, ist gedankenloser Konsum. Dies ist eine Erfindung der Neuzeit, mit der wir kaum umgehen können - denn für gewöhnlich waren ähnliche Freuden immer an soziale Interaktion gebunden, die viel Gehirnschmalz fordert. Ich vermute auch, dass uns dieser Konsum nur deswegen zusagt, weil wir unser Leben nicht auskosten - nach dem Motto "Work Hard - Play Hard" wird unser Leben zu einem Spiel der Extreme, in dem wir nicht bei uns sind, sondern uns beständig entfernen. Wie Thoreau schon sagte, ist es einfacher, nach immer neuen Abenteuern im außen zu streben, als sich selbst auf den Grund zu gehen.

Wenn man den Konsum hereinlässt, was früher oder später kaum zu vermeiden sein wird, habe ich folgenden Grundsatz:

Die Bremse wird gezogen in dem Moment, wo ein Kind Konsum sozialer Interaktion vorzieht.

Denn dem Gehirn eines konsumierenden Kindes fehlen die Impulse, um sich voll zu entfalten. Stattdessen ist die Chance hoch, dass Minderwertigkeitskomplexe, Stolz, Neid, Aufmerksamkeitsstörungen, Wut und vieles mehr sich ausbreiten, wenn das Leben in der Realität außer Acht gelassen wird.

Oft sehe ich aber auch Kinder, die mit Medien lediglich der Langeweile entfliehen, aber dennoch an gemeinsamen Aktivitäten voll teilhaben. Hier sollten die Eltern sich fragen, wo sie das Kind fördern können oder gemeinsame Unternehmungen starten. Denn wenn solch ein Kind eine Leidenschaft findet, wird das zocken schnell aus dem Vordergrund verschwinden, wie es bei mir bei der Entdeckung des Programmierens der Fall war.

Pausen

Elementar ist hier, regelmäßige Pausen von Anfang an zu etablieren. Wenn es nicht gerade ein zeitkritisches Onlinespiel mit Freunden ist, lässt sich das über Programme wie Stretchly realisieren, die in regelmäßigen Abständen eine kleine Pause erzwingen, indem sie alle Ein- und Ausgänge blocken. Wie all die oben empfohlenen Programme nutze ich auch dieses selbst erfolgreich.

Bei Online-Spielen wie League of Legends, in denen es klar abgegrenzte Spielrunden gibt, empfiehlt sich eine 5-minütige Pause zwischen den Runden. Dann kann man zum Beispiel einen Snack holen (eine Schüssel mit Karottensticks und Apfelspalten wirkt Wunder, um hier gesunde Ernährung vorzuprogrammieren), etwas trinken, kurz frische Luft schnappen, oder eine Kleinigkeit im Haushalt erledigen.

Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass ich nach stundenlangem pausenlosen Spielen weder emotional ausgeglichen noch mental zurechnungsfähig war. Im Spiel gilt dagegen (das sollte mit dem Kind besprochen werden): Lieber einen Zettel hinlegen als mit irgendeiner Angelegenheit unterbrechen, wenn nicht Not am Mann ist, sonst wächst auf beiden Seiten Frustration, weil das Kind das Gesagte sehr wahrscheinlich wieder vergisst, aber dennoch aus seinem Flow gerissen wurde,

Prägende Pornographie

Es gibt noch eine weitere Facette des Konsums, die viel tiefer geht: Die Pornographie. Ich war in Gesprächen mit Müttern immer wieder schockiert, wie wenig dieses Thema für sie präsent war, obwohl heute klar ist: Die Frage ist nicht ob, sondern wann das Kind mit Internet-Pornographie in Berührung kommt.

Daher ist es essentiell, mit Zugang zum Internet auch gesunde Werte, gerade im Hinblick auf Sexualität, mit dem Kind zu besprechen. Ungeheuer wichtig ist dabei auch, immer offen zu bleiben und keine Frage als dumm abzutun. Denn wenn hier einmal der Draht fehlt, passiert es besonders bei Jungen, dass sie jahrelang der Pornographie verfallen. Dadurch entwickeln sich unrealistische Ansprüche, ungesunde Verhaltensmuster, fehlender Sozialkontakt (da keine Dopaminausschüttung der Sexualität Konkurrenz machen kann) und eine Sucht, die man ein Leben lang nie komplett abschütteln kann. Mehr dazu auf https://enough.org.

Neben offenem Umgang mit solchen Themen Gesprächen ist es sinnvoll, einen Schutz gegen gefährliche Seiten aufzubauen, hier hilft das kostenlose CleanBrowsing DNS (https://cleanbrowsing.org/filters/). Es lässt sich im Router für das lokale Netzwerk und auf Endgeräten konfigurieren, und sorgt für eine sicherere Surferfahrung für alle.

Und wenn wir schon bei der Routerkonfiguration sind: Ändert doch euer Routerpasswort auf etwas merkbares, z.B. einen kleinen Lieblingsvers. So können Überzeugungen auch mit Gästen ganz unkompliziert zur Sprache kommen. Dazu noch einen scannbaren QR-Code für Mobilgeräte an die Wand hängen, und schon wirkt man professionell mit minimalem Aufwand.

Immer Mobil

Als Junge habe ich mich beschwert, dass ich erst mit 13 mein erstes Smartphone hatte - rückblickend hätte ich auch noch ein paar Jahre darauf verzichten können, da die sinnlosen Spielchen darauf unter anderem dafür gesorgt haben, dass ich mich erst Jahre später in den Skat- und Doppelkopf-Runden etwas sozialiserte und die wunderschöne Natur ebenfalls lange Zeit ignorierte. Ich kann mich an keine einzige sinnvolle Sache erinnern, zu der ich es gebraucht hätte. Und heute kommt das Thema meist viel früher auf, was ich als sehr gefährlich erachte. Es gibt schon jetzt genug Erwachsene, die ihren Handykonsum nicht im Griff haben.

Das Handy sollte ein Werkzeug sein. Ich würde meinen Kindern daher ein google-freies Handy zur Verfügung zu stellen, auf dass sich ohne Weiteres nur quelloffene Apps laden lassen, z.B. aus dem F-Droid oder Skydroid Store. Diese Apps erfüllen typischerweise ihre erwünschte Funktion, ohne unerwünschte Verhaltensmanipulation und Durchleuchtung der eigenen Persönlichkeit. So entgeht man auch lästiger (und gerade für Kinder gefährlich manipulativer) Werbung, ein nennenswerter Aspekt auch für Erwachsene, da oft die einfachsten Apps in kommerziellen Stores tückisch gespickt sind. Dazu empfiehlt es sich, Alternativen zu bekannten Plattformen bereitzustellen, z.B. Nextcloud oder Photonix zum Teilen von Dateien und Fotos und ein eigenes, wirklich soziales Netzwerk im Fediverse.

Wenn man die Handyzeit einschränken möchte, bietet sich die freie App TimeLimit an, bei der technisch versierte oder gut unterstützte Eltern die Steuerung auch über eigene Server laufen lassen können. Hier lassen sich auch Aufgaben definieren, die Extrazeit geben und weitere Sperenzchen. Eine Statistik ist teilweise mit eingebaut, für mehr Details empfiehlt sich ActivityWatch.

Stellt sich lediglich die Frage, ob das überhaupt noch notwendig ist, wenn das Handy ein Werkzeug ist - niemand beschränkt die Zeit, die ein voll entwickeltest Kind mit einem Werkzeugkoffer verbringt, oder? Jede Einschränkung ist gleichzeitig eine Limitation der freien Entfaltung und daraufhin des Selbstvertrauens. Denn wer seinem Kind nicht vertraut, bringt ihm auf Dauer bei, dass es auch selbst sich nicht vertrauen kann, da es ja nicht vertrauenswürdig ist. So entstehen ungesunde Abhängigkeiten.

Übrigens: Nachdem es in meiner Technologienutzung viel auf und ab gab, nutze ich die meisten der oben genannten Dienste selbst, um mich zu Schützen.

Im abschließenden Teil soll es um die Chancen gehen.


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